Sehr geehrte Damen und Herren,
in Pressedarstellungen wurde über das Anliegen der Ratsfraktion CDU/Landgemeinden im Stendaler Stadtrat berichtet, eine Bürgerbefragung anzuregen. Auf diesem Wege möchte ich Ihnen u.a. den Originaltext und die Begründungen des Antrages zusenden, damit Sie informiert sind.
Zum Hintergrund:
Nach § 28 Abs. 3 KVG LSA kann die Vertretung beschließen, zu Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune eine Befragung der Bürger durchzuführen.
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt ist willens, in der Hansestadt Stendal eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LAE) für bis zu 1000 Personen zu errichten.
Im Unterbringungskonzept für die Erstunterbringung von Schutzsuchenden stellt die Landesaufnahmeeinrichtung (LAE) Stendal, eine ehemalige Kaserne in Bundeseigentum, einen wesentlichen Bestandteil dar.
Für den Ausbau dieser Kaserne mit einer Kapazität von 1.000 Unterbringungsplätzen wurde auf Grundlage der Nutzerforderungen des Ministeriums für Inneres und Sport im Jahr 2016 eine Haushaltsunterlage-Bau (HU-Bau) mit Gesamtkosten in Höhe von 29.750.000 € aufgestellt. Die Inbetriebnahme der LAE Stendal war zunächst für das zweite Halbjahr 2018 geplant.
Sie kann aufgrund von eingetretenen Verzögerungen wegen der Klärung der anteiligen Finanzierung zwischen Bund und Land voraussichtlich ab 2020 erfolgen.
Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz (AsyiG) sind die Länder verpflichtet, für die Unterbringung der auf sie nach der Aufnahmequote gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 AsylG zu verteilenden Asylbegehrenden die erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen.
Vor diesem Hintergrund soll in Stendal eine Aufnahmeeinrichtung geschaffen werden, die u. a. auch den Kriterien der EU-Aufnahmerichtlinie, insbesondere zur Unterbringung vulnerabler Personen, vollumfänglich Rechnung trägt. Zur Unterbringung der vulnerablen Personengruppen, die sich überwiegend aus allein reisenden Frauen, Frauen mit minderjährigen Kindern, Familien mit minderjährigen Kindern und Behinderten zusammensetzen, steht in Sachsen-Anhalt bislang nur die durch die Bundeswehr zur Mitnutzung überlassene Teilfläche auf dem Truppenübungsplatz Klietz zur Verfügung, da die anderen
Einrichtungen zur Erstunterbringung von Asylbegehrenden im Land nicht uneingeschränkt für die Unterbringung vulnerabler Personen geeignet sind.
Die LAE Stendal soll zugleich darauf ausgerichtet werden, im Bedarfsfall innerhalb eines kurzen Zeitraumes die Aufgaben der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber Halberstadt (ZASt) übernehmen zu können, wenn die ZASt zum Beispiel auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamtes wegen des Ausbruchs einer ansteckenden Krankheit oder aus anderen, nicht vorhersehbaren Gründen vorübergehend geschlossen werden muss. Auch dann ist das Land verpflichtet, die Erstaufnahme von Asylbegehrenden sicherzustellen und die hierfür notwendige Logistik bereitzuhalten. ln Stendal soll damit die Nebenstelle zum Hauptstandort der ZASt Halberstadt als zweiter Standort der Landeserstaufnahme für Sachsen-Anhalt eingerichtet werden, deren Betrieb auf Dauer ausgerichtet sein soll. Mit der Inbetriebnahme der LAE Stendal soll der Unterbringungsbedarf an den Standorten Halberstadt (Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber Friedrich-List-Straße und Außenstellen Straße der OdF und Johannisbrunnen) und Stendal gedeckt werden. Der Betrieb der weiteren Standorte soll sukzessive eingestellt werden.
Mein Handeln als Abgeordneter des Landtages:
Entgegen der Berichterstattung ist folgendes richtig: Als Mitglied des Landtages habe ich mich mit einem Schreiben im Juli 2016 an den Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff mit der Bitte gewandt, die Notwendigkeit der Landesaufnahmeeinrichtung in Stendal noch einmal zu überprüfen und neu einschätzen zu lassen.
Eine Kabinettsvorlage mit Datum vom 04.01.2018 zum Aufbau einer Landesaufnahmeeinrichtung in Stendal wurde durch die Landesregierung zur Kenntnis genommen. Der Landtag und die Abgeordneten sind daran nicht beteiligt.
Am 16.01.2018 habe ich die Ratsfraktion CDU/Landgemeinden mit einem Sachstand informiert.
Die Ratsfraktion hat daraufhin einen Antrag zur Stadtratssitzung am 09.04.2018 wie folgt formuliert und am 19.02.2018 im Stadtrat vorgestellt:
Beschluss:
1. Der Stadtrat der Hansestadt Stendal beschließt die Durchführung einerBürgerbefragung gemäß § 28 Abs. 3 KVG LSA und § 19 der Hauptsatzung der Hansestadt Stendal.
2. Die Fragestellung dazu lautet:
Sind Sie der Auffassung, dass durch die Realisierung der geplanten Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung mit bis zu 1000 Plätzen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Stendal eine Gefährdung des sozialen Friedens in der Hansestadt Stendal eintreten wird?
3. Die Fragestellung hat so zu erfolgen, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit „Ja“ oder „Nein“ entscheiden können.
4. Die Befragung ist im schriftlichen Verfahren innerhalb von 4 Wochen durchzuführen.
5. Das Ergebnis der Bürgerbefragung ist im Amtsblatt unverzüglich öffentlich bekannt zu machen.
6. Nach der Bürgerbefragung entscheidet der Stadtrat erneut durch Beschlüsse, wie mit dem Ergebnis der Befragung weiter umgegangen wird.
Begründung:
Die Ratsfraktion CDU/Landgemeinden vertritt die Auffassung, dass der Betrieb der geplanten Erstaufnahmeeinrichtung (LAE) mit bis 1000 Plätzen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Stendal in unserer dünnbesiedelten Region eine Fehlentscheidung ist.
Wir schätzen die Integrationskraft, die eigenen Ressourcen der kommunalen Einrichtungen und das vorhandene zivilgesellschaftliche Engagement so ein, dass diese durch die Inbetriebnahme dieser großen Erstaufnahmeeinrichtung überfordert sind.
Durch den geplanten Betrieb der Einrichtung sieht die Ratsfraktion CDU/Landgemeinden daher den sozialen Frieden in der Hansestadt Stendal als gefährdet an.
Wir sind aufgrund der zahlreichen an die Ratsfraktion gerichteten Anfragen davon überzeugt, dass in der Bürgerschaft in Bezug auf die geplante Einrichtung viele Ängste und Vorbehalte existieren.
Wir sind als Stadträte der Auffassung, dass wir diese Irritationen ernst nehmen müssen und darum ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger zu befragen und zu beteiligen.
Das Ergebnis dieser Bürgerbefragung soll die Forderungen der Hansestadt Stendal gegenüber der Landesregierung zur Wahrung des sozialen Friedens in der Hansestadt Stendal unterstützen.
Hardy Peter Güssau, MdL